Die Via Romana in Rot und ihre historische Geschichte

Die Römer bauten unter der Regentschaft der Kaiser Cäsar, Augustus, Claudius, Vespasian ihr Weltreich kontinuierlich flächenmäßig aus. Der ganze Mittelmeerraum gehörte zu ihrem Weltreich. Die römische Grenze hier auf unserem Gebiet führte Ende des ersten Jahrhundert n. Chr. linksrheinisch von Straßburg, Mainz, Köln bis hoch nach Xanten und in das Gebiet der Mosel bis Trier. Südliche Spitze bildete Augsburg/Augusta Vindelicum, das 15 v. Chr. unter Kaiser Augustus gegründet wurde und den wichtigsten Knotenpunkt zu den Alpenpässe bildete. Süd-/Östliche Spitze bildete Regensburg an nördlichsten Punkt der Donau, wo um 79 n. Chr. ein Kohortenkastell als Beobachtungsposten für die Naab- und Regenmündung entstand.

Der Rhein bildete somit die Grenze des römischen Gebietes mit den beiden römischen Provinzen Germania Superior mit der Provinzhauptstadt Mainz (Mogontiacum) und Germania Inferior mit der Hauptstadt Köln (Colonia Claudia Ara Agrippinensium). Dieser Grenze gegenüber lag rechtsrheinisch das große Gebiet von Magna Germania (das „freie Germanien“) Bei der Verlegung von Truppen und dem Warentransport musste, um von Augsburg oder Regensburg nach Mainz zu kommen, ein langer Weg unterhalb des Bodensees den Rhein hinauf hingenommen werden. Es sei denn man nützt direkte Wege durch Magna Germania. Diese Wege gab es aber nicht. Um ca. 70 n. Chr. nahmen sich die Römer den Bau dieser Verkehrswege zum Ziel. Vermutliche Planungen sahen unter anderem vor, auf dem exponiert liegenden heutigen Gebiet Hallschlag einen großen Verkehrsknotenpunkt einzurichten.

Unter der Regentschaft von Kaiser Domitian erreichte um 95 n. Chr. eine 500 Reiter starke römische Reitereinheit hier unser Gebiet am Hallschlag. Ihre römische Bezeichnung war Ala I Scubulorum. Die Reiter kamen aus der Region Moesia, dem heutigen Grenzgebiet Griechenland/Bulgarien südlich der Donau und gehörten der Volksgruppe der Thraker an. Im Jahre 29 v. Chr. wurde ihr Gebiet von Marcus Licinius Crassus erobert und in eine römische Provinz umgewandelt. Seit dieser Zeit waren sie tributpflichtige Vasallen. Ab 49 n. Chr. liegen und erste Informationen über die Ala I Scubulorum vor. In ihrem Gefolge befanden sich vermutlich 500 Zivilisten zur Betreuung und Versorgung der Truppe. Man geht heute davon aus dass sie in unbewohntes, bewaldetes Land vorstießen.

Zum gleichen Zeitraum errichteten römische Truppen das heutige Köngen (Grinario 100 n. Chr.), Walheim (85 n. Chr.),  Benningen (85 n. Chr.), sie rückten praktisch auf breiter Front an den Neckar vor. Zwischen diesen Kastellorten errichteten sie einen Grenzwall, den Neckar-Odenwald Limes. Zeitgleich wurden auch im Schwarzwald (z.B. Rottweil 73 n. Chr, älteste Stadt in Baden-Württemberg) und auf der schwäbischen Alb (z.B. Burladingen 80 n. Chr.) römische Kastelle gegründet. 

Die römische Truppe hier auf dem Hallschlag wird als erstes ein großes Zeltlager aufgeschlagen haben. Die Zelte aus Ziegenhäuten (auch Kalb und Kuh) wurden mit den klassischen vierrädrigen Römerwagen transportiert. Um sich großflächig niederlassen zu können musste vermutlich ein großes Areal gerodet werden. Mit diesem Material errichteten sie zuerst ein Kastell aus Holz und Erde. Dieses Kastell hatte die Maße 185x160 Meter, bestand aus dem Hauptgebäude, Unterkünften für die Soldaten und Pferde, Versorgungsgebäuden, der Holzumzäunung und hatte vier Zugangstore (je eines pro Seite). Die Kastelle hatten fast alle den gleichen Aufbau. So konnten sich die Römer in jedem Kastell sofort zurechtfinden. Dabei war die Holzumzäunung nicht als Schutzpalisade gegen Feinde wie mittelalterliche Burgen anzusehen. Die Römer versteckten sich nicht hinter Palisaden sondern kämpften auf offenem Feld. Sie suchten die offene Feldschlacht um ihre erfolgreichen strategischen Kampfformationen einsetzen zu können. Zumal es sich hier um eine Reitertruppe handelte, die das freie Feld für ihre Kampfführung benötigte. Die Holzumzäunung diente nur dazu, wie auch heute bei Kasernen, dass ein gewisser Selbstschutz ermöglicht wurde. Sie diente aber auch zum Schutz gegen Wind und Wetter. Die Holzpalisaden wurden bei fast allen Kastellen später durch eine Steinmauer ersetzt, vermutlich war die Holzpalisade im Laufe der Jahre schlicht und einfach morsch geworden.

Da auch die Zivilsiedlung(vicus) hier auf dem Hallschlag keinen Zaun hatte muss davon ausgegangen werden, dass es eine ruhige und friedfertige Zeit war. Die zivile Siedlung(vicus) auf dem Hallschlag entwickelte sich schnell. Links und rechts der heutigen Essener-/Rostockerstraße und besonders am Sparrhärmlingweg standen die Wohn- und Geschäftshäuser aus Holz oder Stein. Es konnten ca. 40 Brennöfen zur Herstellung von Gebrauchskeramik am Sparrhärmlingweg gefunden werden. Leider konnten bis heute keine Großbauten wie z.B. ein Badehaus oder eine große Herberge gefunden werden. Beerdigt (Urnengräber) wurden die Toten am Rande der Siedlung  im Bereich der ehemaligen Höferschen Ziegelei, die Gaststätte „Zur alten Ziegelei“ erinnert noch an die ehemalige Ziegelei. Es kann davon ausgegangen werden, dass das Grundmaterial für die Keramikherstellung auch aus diesem Gebiet stammte.

Im Umkreis entstanden viele landwirtschaftliche Güter mit Villen (villae rusticae) z.B. in Zazenhausen in den Fluren „Zazenhäuser Grund“, „Schaftrieb“, „Steingrube“ und Nußbäumle“, in Hofen, in Münster und in Cannstatt. Sie alle versorgten die Truppen und die Zivilbevölkerung mit den benötigten landwirtschaftlichen Produkten bis hin zu Großtieren wie Pferde. Sie betrieben aber keinen Weinbau, der setzte erst um 250 n. Chr. an der Mosel ein. (in Piesport älteste Kelterei) Es galt die freie Marktwirtschaft. Angeboten wurde was nachgefragt wurde.

Zeitgleich zum Aufbau des Kastells und der Zivilbebauung bauten die Römer den Hallschlag zu dem geforderten wichtigsten Straßenknotenpunkt unseres Gebietes aus. Vier Straßen trafen hier zusammen: Eine Fernstraßenverbindung führte vom Hallschlag bis Wimpfen und weiter über Heidelberg und Ladenburg zur Provinzhauptstadt Mainz/Mogontiacum. Nach Süden gelangte man vom Hallschlag nach Köngen weiter über Urspring nach Faimingen zur Donau und schließlich nach Augsburg/Augusta Vindelicum, der Hauptstadt der Provinz Raetien. Eine Fernstraßenverbindung führte über Pforzheim zu dem Legionslager Straßburg/Argentorate. Zu diesen Fernstraßenverbindungen gab es noch lokale Verbindungen z. B. nach Lorch oder Welzheim.

Auf Kornwestheimer Gemarkung bei der Theodor Heuss Realschule konnte ein Teilstück der Fernstraße nach Walheim freigelegt werden. Der Straßenkörpers hat eine Breite von 4,4m. Er besteht aus einer oberen Lage festgefahrener  Muschelkalkplatten, die in eine Rollierung aus kleineren Muschelkalksteinen, Kalksteinschotter und sandigem Lößlehm verlegt worden waren.

Ursprünglich war die Oberfläche gleichmäßiger als heute. Manche Muschelkalkplatten sind im Laufe der Zeit abhanden gekommen und Regenfälle und Frost haben die Furchen ausgewaschen und vertieft. Die Dicke der in den Löß eingetieften Rollierung beträgt in der Mitte maximal 50 bis 60cm. Die Straße ist zur Mitte leicht gewölbt. Entlang der Kanten sind die Steine sorgfältig gesetzt. Von den Straßengräben war der westliche noch etwa 15cm tief erhalten, während der östliche, wohl infolge jüngerer Störungen, nicht mehr aufgefunden werden konnte. Besonders bemerkenswert sind in die Steine eingefahrene Wagenspuren. Es lassen sich zwei gegeneinander versetzte, parallele Fahrspuren erkennen. Die Spurbreite beträgt durchschnittlich 1,3 m, sie stimmt damit mit den befunden anderer römischer Straßen überein. Entsprechende zwei und vierrädrige römische Reisewagen sind durch bildliche Darstellungen bekannt. Die durch Kornwestheim freigelegte Anlage ist eines der wenigen Beispiele im Original sichtbarer Römerstraßen in Baden-Württemberg.

Ob diese Fernstraße nach Walheim durch das heutige Wohngebiet Rot führte wird für immer im Dunkeln bleiben. Zu gering ist die Funddichte in unserem Gebiet. Dazu kamen starke Veränderungen des Geländes durch den Bau der Eisenbahntrasse, durch die Nutzung als Exerzierplatz und durch Erdauffüllungen im ganzen Tapachtal. Ohne Zweifel muss eine lokale Verbindung durch das heutige Wohngebiet Rot geführt haben. Es gibt Stellen außerhalb von Rot wo eine Straße nachgewiesen werden kann. Somit ist es möglich, aus archäologischer Erfahrung heraus ihren wahrscheinlichen Verlauf festzulegen. Und dieser Verlauf könnte, kommend über den Schnarrenberg durch die heutige Sersheimer Straße hinunter nach Zazenhausen zu einer Furt über den Feuerbach, gegangen sein.

Der Frieden hier auf dem Hallschlag und Umgebung muss um ca. 150 n. Chr. „getrübt“ worden sein. Positive Entwicklungen, vor allem mit ökonomischem Hintergrund, rufen immer den Wunsch zur „Teilhabe“ oder Missgunst hervor. Dies galt schon in Prähistorischer Zeit und gilt auch heute. Die Römer wollten sich gegen eine mögliche oder tatsächliche Bedrohung aus dem freien Gebiet Magna Germania wappnen. Unter der Regierungszeit von Kaiser Antonius Pius (138-161 n. Chr.) wurde die römische Grenze nach Osten vorverlegt. Die römischen Truppen verlagerten das Kastell vom Hallschlag nach Welzheim (150 n. Chr.) in Richtung Germanien. Sie gründeten neue Kastelle wie Murrhardt 161 n. Chr., Mainhardt 150 n. Chr. (die Truppen von Walheim wurden nach hierher verlegt), Aalen 150/155 n. Chr. mit der stärksten Reitereinheit nördlich der Alpen, der Ala II Flavia milliaria (1000 Reiter) und errichteten den Obergermanischen - Rätischen Limes, dessen heutige Reste unter Denkmalschutz stehen und der nach der Chinesischen Mauer das längste Bodendenkmal der Welt ist.

Das Kastell auf dem Hallschlag wurde aufgegeben. Die Zivilsiedlung wird sicher noch in kleinerem Maße weiter bestanden haben. Ab 235 n. Chr. liegen uns aber keine Funde mehr vor. Durch dringend benötige Truppen in anderen Teilen des römischen Weltreiches und mit Sicherheit durch Streitigkeiten in der Führung des Weltreiches selbst wurden die rechtsrheinischen Gebiete um ca. 260-285 n. Chr. von den Römern wieder aufgegeben. Sie zogen sich an den Rhein zurück, die Städte Mainz, Köln, Trier blühten weiter auf und entwickelten sich zu großen Garnisonen/Städten. Mit dem großen Alemanneneinfall um 260 n. Chr. dürfte die Siedlung auf dem Hallschlag endgültig beendet worden sein. Dies trifft wahrscheinlich auch auf die umliegenden Landgüter/villae rusticae zu. Sicher ist, dass viele bestehende Römerstraßen noch bis ins Mittelalter benutzt und auch unterhalten wurden. Erst mit Aufkommen des intensiven Ackerbaus und mit der erhöhten Bautätigkeit dürfte ein Großteil der Straßen verschwunden bzw. die Pflasterung als Baumaterial weiterverwendet worden sein.

Text/Foto: Rainer Fiechtner

12-10-2010